Unsere Kurzanalyse zur Wahl in Bremen

Mit der Wahl in Bremen haben wir eine weitere Wahl in einem Bundesland hinter uns gebracht. 1,5% sind das Ergebnis, das in Bremen errreichbar war. Hochachtung vor allen Wahlkämpfern.

Leider haben die Piraten nicht aus dem Ergebnis anderer kleiner Parteien bei den letzten Wahlen gelernt, und sich nicht komplett auf Bremerhaven im Wahlkampf konzentriert, sondern auch in Bremen-Stadt / Nord Wahlkampf betrieben. Bei den begrenzten Ressourcen wäre eine Konzentration auf Bremerhaven sinnvoll gewesen. Einige der Wahlkämpfer hatten das zwar erkannt, aber nicht alle Piraten haben das mitgetragen, sondern lieber Wahlkampf in ganz Bremen gemacht und damit die Kräfte geteilt. Das Ergebnis hätte dort besser als 2,46% ausfallen können.

Das Ergebnis zeigt, dass Wahlkampf in einem kleinen, begrenzten Raum Erfolge bringen kann. In Bremerhaven konnte nicht nur das Ergebnis von 2011 gehalten werden, sondern es hat sich von 2,0 auf 2,5% gesteigert. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass die Piraten in Bremerhaven 3.930 Stimmen bekommen haben. Unter der Annahme, dass unsere Wähler alle 5 Stimmen an die Piraten gegeben haben, haben wir 786 Wähler erreicht.

Im Gegensatz zu den voran gegangenen Landtagswahlen, in denen Verluste hingenommen werden mussten, haben wir in Bremerhaven zugelegt. Aber in Bremen Stadt geht der Trend weiter und die Zustimmung bei den Wählern sinkt von 1,9% noch in 2011 auf jetzt 1,37%. Wir erreichen unsere Stammwähler nur noch zum Teil. Weitere, neue Themen führen ein weiteres Mal nicht zu mehr Stimmen, sondern zu weniger.

Das Ergebnis zeigt, dass man auch als kleine Partei in Bremen in die Bürgerschaft einziehen kann, wenn man den Wahlkampf konsequent auf Bremerhaven konzentriert, wie es die BIW seit der Gründung macht. Um über die 5%-Hürde zu kommen, hätten die Piraten gerade mal nur 800 Bürger mehr als Wähler gewinnen müssen.

Kurz: Es fehlte eine einheitliche Strategie im Wahlkampf.

Nach der Wahl in Hamburg haben wir in diesem Blog ein Ergebnis von 1,4% für die Piraten in Bremen prognostiziert. Diese Vorhersage hat sich bei einem Ergebnis von insgesamt 1,5% bestätigt. Damit schaffen wir es aktuell nicht, unsere Stammwähler zu erreichen, trotz der Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung und der BND/NSA-Affäre. Unsere Stammwähler trauen uns nicht mehr zu, diese Themen glaubwürdig zu besetzen.

Wir brauchen neben einer organisatorischen Strategie auch eine inhaltliche Strategie. Dabei geht es zunächst darum, unsere Stammwähler wieder anzusprechen. Kurzfristig kann dies so aussehen, dass die Piraten nur noch die Themenfelder Bürgerrechte, Datenschutz, NSA-BND-Affäre und Vorratsdatenspeicherung bespielen. Das erwarten unsere Stammwähler, dort werden wir von den Medien wahrgenommen, dort sind wir uns einig und vor allem auch glaubwürdig.

Mittel- und langfristig genügt das aber nicht: Damit können wir unsere Stammwähler von 2009 bis 2011 wieder erreichen, aber wir schaffen nicht die 5%. Dennoch darf das nicht wieder zu einer Verzettelung führen. Statt dessen muss in der Außendarstellung ein orangener Faden erkennbar werden. Wir müssen in der gesamten öffentlichen Kommunikation einen Markenkern erkennen lassen und eine politische Vision präsentieren, die die Wähler und Bürger dazu motivieren uns wieder breiter zu unterstützen.

erste Analyse

Wir haben vor dem LPT BY 14.1 begonnen, die Situation der Partei zu analysieren. Dabei haben wir uns drei Fragen gestellt und auch mehrere Thesen daraus abgeleitet. Aus dieser Analyse sind mehrere Strategieentwicklungsarbeitstreffen (#SEAT) entstanden und schließlich Navalia.

Haben wir ein Problem?

Schonungslos muss man feststellen: Wir haben keine Identität, keinen Markenkern und haben uns verzettelt. Wir haben unsere Zielgruppe nicht definiert, keine Strategie und das Programm besticht durch Quantität statt durch Qualität.

Wir haben nicht geliefert und sind bei Politik 1.0 gelandet.

Bevor wir uns Gedanken über unsere Zielgruppe und unseren Markenkern machen, müssen wir uns aber erst fragen:

Wer sind wir?

Wir sind:

  • Nerds, Geeks, Freaks
  • technikaffin, technikbegeistert, internetaffin
  • Geocacher, Freifunker, OpenStreetMaper
  • Open Source Nutzer
  • Datenschützer
  • Bürgerrechtler
  • Rebellen
  • Besserwisser
  • Nein-Sager

Wir sind also Individualisten, oder auch eine Ansammlung von Randgruppen. Mit einem Wort: Wir Piraten sind Außenseiter, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft. Auch wenn das nicht alle so wahrhaben wollen.

„Gesellschaftliche Veränderung fängt immer mit Außenseitern an, die spüren, was notwendig ist.“
Robert Jungk

Daraus ergibt sich auch eine

These zum Umgang miteinander

Außenseiter sind sozial unangepasst, entweder weil sie ausgegrenzt sind oder weil sie sich bewusst ausgegrenzt haben. Aus dieser Außenseiter-Position erwächst eine Erfahrung als Mobbing-Opfer.

Diese Mobbing-Erfahrung geben viele von uns dann weiter, indem sie Außenseiter innerhalb der Außenseiter mobben, was wir regelmäßig auf Mailinglisten und Twitter nachlesen können.

Aus der Randgruppen-These ergibt sich auch

Wir haben Randgruppen angezogen

Randgruppen fühlen sich zu anderen Randgruppen hingezogen. Deshalb hatten wir ein Problem mit Rechtsextremen in der Partei, gegen die wir uns stark abgegrenzt haben. In der Folge hatten wir ein Problem mit Linksextremen, die uns auch als Vehikel gesehen haben.

Was war die Erfolgsformel?

Was hat zu den 8,9% in Berlin geführt?

Berlin ist eine Ausnahmesituation: Berlin ist cool, weil es eine Stadt der Vielfalt ist. Dadurch ist die Stadt anziehend für Individualisten. Zudem gibt es in Berlin eine weniger ausgeprägte Wahltradtion als in anderen Bundesländern.

Zudem gab es 2011 eine besondere Situation in der bundesdeutschen Politik. Die Auswirkungen der Finanzkrise von 2007 waren deutlich zu spüren, Banken wurden von Steuerzahlern gerettet, es herrschte eine große Zukunftsangst.

Deshalb waren sehr viele Bürger sauer, das Wort Wutbürger war geboren.

Für all das wurde ein Sündenbock gesucht und gefunden: Die FDP. Die FDP hat zwar nicht die Finanzmarkt-Deregulierung durchgeführt (das war rot-grün unter Schröder), aber die Ideologie der FDP wurde als schuldig erachtet. Deshalb haben die Medien die FDP in den Keller geschrieben.

Es wurde also ein Nachfolger für die FDP gesucht und gefunden: Die Piraten. Die Piraten waren in 6 Wahlen vorher angetreten, dabei jeweils um die 2% gelandet. Sie waren also schon als Partei etabliert.

Die Medien pushen also die Piraten und picken aus dem Programm die Rosinen heraus.

Also:

Der Erfolg war Zufall

Wir sind auf einer Welle geschwommen und haben von der allgemeinen Stimmung profitiert. Und das, obwohl der LV Berlin 2011 total zerstritten war, wie dieser Artikel vom 1.7.2011 in der taz deutlich darstellt.

Wir haben Ursache und Wirkung verwechselt.

Das also die Kurzfassung, die Langfassung gibt es als Video:

cc-by-sa Heide-Daniel

Wahlergebnisse der Piraten: die nackten Zahlen

Die Wahlergebnisse der Piraten befanden sich zwischen 2009 und 2011 stabil bei durchschnittlich 1,8% bei Landtags- und bundesweiten Wahlen. Wie hier in der Grafik lässt sich aus den Zahlen ablesen, dass wir uns aktuell bei einem Durchschnitt von 1,3% befinden.

ergebnisse_gesamt

Erstaunlicherweise haben sich die Piraten als junge Partei relativ schnell auf die 1,8% eingependelt. Schon bei der dritten Wahl zeigte sich dieses Niveau, das auch zwei Jahre lang anhielt.

Mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin begann ein Hype, der ein Jahr anhielt und in drei weiteren erfolgreichen Landtagswahlen mündete.

Dass die Wahlergebnisse nach dem Abklingen des Hypes wieder fielen, lies sich bereits im Herbst 2012 aus den Umfrageergebnissen vorhersagen. Etwas enttäuschend ist, dass der Durchschnittswert der Ergebnisse mit 2,0% nur 0,2% über dem vorherigen Niveau lag.

2014 kam dann der Absturz: Die Piraten liegen jetzt wieder auf einem Niveau. Allerdings bei einem Wert von ca. 1,3%, also 0,5% unter den Werten von 2009 – 2011.

Diese Zahlen sind soweit gesichert, dass folgende Effekte ablesbar sind:

  • Die Piraten lagen bei bundesweiten Wahlen immer über dem arithmetischen Mittel. Das gilt für alle drei Zeiträume, in denen sich jeweils eine Bundestags- oder Europawahl befindet.
  • Ebenso liegt die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft immer über dem arithmetischen Mittel, sogar in beiden Fällen um ca. 0,3%.

Aus dem aktuellen Stand der Piraten und dem Ergebnis von 2009 ergibt sich eine Prognose von 1,4% für die Bürgerschaftswahl in Bremen.

Wenn wir einfach nur weiter so machen wie jetzt, wird sich der Trend fortsetzen und unsere Zustimmung wird unter 1% sinken.

Jetzt gilt es, eine Strategie zu entwickeln, wie wir wieder auf die Beine kommen, wie wir wieder als relevante politische Kraft wahrgenommen werden und wie wir schließlich wieder von mehr Menschen gewählt werden.